Auswirkungen der digitalen Transformation
Rom [ENA] Die von der EU-Kommission beauftragte „Hochrangige Gruppe zu den Auswirkungen der digitalen Transformation der EU-Arbeitsmärkte“ hatte im April 2019 einen betreffenden Bericht präsentiert, der unter anderem im Vorschlag eines einheitlichen digitalen Fensters („Digital Single Window“) auf EU-Ebene kulminierte. Es hat gewisse Parallelen zu dem vorgeschlagenen Modell
einer „Digitalen Sozialen Sicherung“ (DSS), unterscheidet sich aber auch in wesentlichen Punkten. Auf Grund des Berichts der Gruppe hat die EU-Kommission die Wissenschaftlerin Daisy Ogembo und den Wissenschaftler Vili Lehdonvita aus Oxford den Auftrag gegeben hat, die Durchführbarkeit des Konzepts zu untersuchen und hierzu Vorschläge zu machen. Die Autorin und der Autor des Berichts sprechen sich für die zweite Variante aus, ein zentralisiertes System, und schlagen ein Pilot-Projekt auf freiwilliger Basis vor, mit einem Kern bestehend aus Dänemark und Estland. In einem weiteren Schritt könnte dann auf europäischer Ebene gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die das System
verbindlich für Plattformbetreibende und Plattformarbeitskräfte macht. Die Nutzung des Systems durch die Steuer- und Sozialbehörden der Mitgliedstaaten ist jedoch freiwillig. Eine weitere Option wäre, eine europäische Institution mit der Aufgabe der zentralen Agentur zu beauftragen, etwa die neu gegründete europäische Arbeitsbehörde. Dies würde jedoch einer weiteren gesetzlichen Basis auf europäischer Ebene bedürfen. Ausgangspunkt des „Oxford-Berichts" ist die Feststellung, dass Plattformarbeitende in aller Regel selbständige Auftragnehmende sind und daher die Befolgung von Steuer- und Sozialabgabenpflichten deutlich niedriger ist als die der Arbeitnehmenden, bei denen
bereits an der Quelle ein Abzug erfolgt. Im Fall von Plattformarbeitenden kommt noch hinzu, dass diese oft im gleichen Zeitraum mehrere Tätigkeiten durchziehen , möglicherweise in verschiedenen Beschäftigungsformen, und das nicht nur in einem, sondern im rechtlichen Geltungsbereich mehrerer Länder. Konsequenz ist, dass ihr Einkommen möglicherweise in mehreren Länder zu versteuern ist (bzw. Sozialabgaben unterliegt). Noch komplexer werden die Verhältnisse, wenn die Plattform außerhalb der EU lokalisiert ist.Die Lücken in der Steuer- und Beitragserhebung bewirken nicht nur unfaire Wettbewerbsvorteile von Unternehmen, die Plattformarbeit nutzen. Sie produzieren auch ein
Segment von Erwerbstätigen mit unzureichender Absicherung in der Rentenversicherung und anderen Zweigen der Sozialversicherung. Auf der anderen Seite hinterlassen plattformvermittelte Erwerbstätigkeiten digitale Spuren und damit Chancen, eine angemessene Besteuerung und Zahlung von Sozialabgaben zu unterstützen. Diese Chance versuchen sich einige Mitgliedstaaten der EU zunutze zu machen und fordern Einkommensdaten von Plattformarbeitenden direkt bei den Plattformbetreibern an. Zu diesen Ländern gehören Estland, Dänemark und Frankreich. Ihre Erfahrungen bilden den Ausgangspunkt für eingehendere Untersuchungen und Schlussfolgerungen.
Das vorgeschlagene Single Digital Window soll vor allem dazu dienen, eine Fragmentierung der Berichtspflichten und ihres Formats zu verhindern, konkret: Es soll vermieden werden, dass 28 (jetzt 27) Mitgliedstaaten ihre eigenen Systeme, Formate und Protokolle entwickeln, anhand derer die Plattformen berichten müssen, möglicherweise sogar noch differenziert nach verschiedenen Empfänger-Behörden.